Im ruhigen Tempo geht die Fahrt von Mardin nach Midyat voran. Der Ort Midyat gehört zum Weltkulturerbe und so habe ich mich entschlossen, von Mardin aus eine Tagesfahrt dorthin zu machen. Ich sitze ganz hinten im Bus und lasse die Landschaft an mir vorüberziehen. Und plötzlich überfällt mich ein mulmiges Gefühl; das Bewusstsein macht sich breit, immer tiefer in diese mir in Teilen ja fremde Welt einzudringen und nicht zu wissen, was mich dort erwartet. Und das Gefühl, mich immer weiter von dem vertraut gewordenen Ort Mardin zu entfernen. Wenig später hält der Bus an, es gibt eine Passkontrolle. An dem Gesichtsausdruck des Busfahrers ist zu lesen, was er davon hält. 2 Offiziere, behelmt und mit Maschinengewehren bewaffnet, öffnen mit einem reglosen Gesichtsausdruck die Tür, wortlos geben wir unsere Pässe weiter. Das ganze Procedere dauert nur wenige Minuten, dann bekommen wir das ok und der Bus setzt sich wieder in Bewegung. Warum diese Passkontrolle durchgeführt wird, diese Frage kann mir niemand beantworten, einfach, weil hier fast niemand Englisch versteht. In Midyat angekommen, zeigt sich ein ähnliches Bild wie schon in Mardin. Ein großer Sandhaufen, Schubkarren und Besen dienen auch hier den Restaurationsarbeiten in der alten Stadt. Anders als in Mardin ist die Altstadt jedoch kaum belebt und ich laufe durch menschenleere Gassen. Irgendwann treffe ich auf eine Gruppe Kinder. 5 Jungen im Alter von ca. 9-10 Jahren. Sie sprechen mich an, lachen freundlich und übermütig. Ich bleibe stehen. Einer zeigt auf meine Haare, lacht und hält den Daumen hoch. Ich lache, zeige auf seine Haare und auf die seiner Freunde und wiederhole die Geste mit dem Daumen nach oben. Sie lachen, dann sagt einer der Jungen: " my name is Benjamin. " Ah....ich wiederhole das gesagte und sage : " my name is Ute. " Und so erfahre ich von jedem den Vornamen. Benjamin, Mustafa, Achmed, Sahin und Davut. Sie sind stolz über ihre angewandten Englischkentnisse und so führen wir ein höchst lebendiges und lustiges Gespräch, wobei Mimik und Gestik hilft, das Gesagte verständlich zu machen. Dann ist es Zeit für die Schule und wir verabschieden uns. Nach diesem kurzweiligen Intermezzo setzte ich vergnügt meine Erkundungstour fort. Und entdecke wenig später ein Cafe.
Es befindet sich in einem altem Mauerwerk von 1000 Jahren, die gewölbten Decken zeugen davon. Es ist geschmackvoll eingerichtet, moderne Sitzmöbel, die in diesem Ambiente gut mit ihren Pastellfarbenen Tönen zur Geltung kommen. Der Besitzer zeigt mir seine Räumlichkeiten, er bietet auch Übernachtungsmöglichkeiten an und wir gehen bis zur Dachterrasse. Hier ergibt sich ein weiter Blick über die Dächer der Altstadt. Ich erfahre, dass er Kulturwesen studiert hat und eine ganze Weile unterhalten wir uns. Er erzählt von den vielen Menschen, die diese Region verlassen haben. Er selbst ist Kurde. Ich bekomme einen Kaffee in einem für die Gegend typischen Behältnis. Die Vergangenheit ist zu spüren, in den Gassen der Altstadt.
So schön die Gebäude auch sind, erst durch Menschen werden sie wieder lebendig.
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