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Das ist wesentlich auf einer Pilgerreise : das Ankommen. Beim Verlassen einer Stätte nicht zu wissen - wo werde ich heute Abend sein- wo komme ich an?

Bei all meinen Pilgerwegen bin ich jeden Abend angekommen-hatte immer ein Dach über dem Kopf , ein Bett zum Schlafen und dafür bin ich dankbar.

Der Zug fährt ein in Lisieux. 10 Minuten vor der Abfahrt , die für 12:04 Uhr geplant ist. Das scheint ungewöhnlich. Doch ich korrigiere mich. Ich bin in Frankreich und merke, wie ich meine gemachten Erfahrungen aus Deutschland auf das hiesige Transportsystem übertrage.

Schaue hinein in den Zug- und frage eine Passantin nach der Richtung. Ja, dieser Zug fährt nach Mezidon. Ich wähle einen Platz, in der Nähe der Frau aus Frankreich. Gleich beginnt sie ein Gespräch. Sie spricht deutsch- kommt gerade aus Hannover und erzählt von ihrer Reise. Sie ist stolze Besitzerin eines Appartement in Archachon , direkt am Meer.

Irgendwann kommt unser Gespräch auf die Situation im Nahen Osten zu sprechen. An ihrer Jacke heften 2 Anstecker- sie zeigen die Flagge von Palestine. Aufgebracht spricht sie über das Kriegsgeschehen.

Sie schimpft auf die israelischen Menschen, die aus ihrer Sicht den Palestinensern und Palestinenserinnen das Land weggenommen haben. " Es gehört ihnen und nicht Israel."

Ich berichte von den Organisationen Women Wage Peace und Women of the Sun. Das sie zusammenstehen als Frauen und sich gemeinsam einsetzten für ein Ende des Blutvergießens und für Friedensverhandlungen, an denen Frauen beider Seiten gleichermassen einbezogen werden.

Sie hört zu, schaut mich an und setzt das Gespräch über die Lage in Gaza fort. Über die Situation der kleinen Kinder, die Knappheit der Lebensmittel.... Ich höre ihr zu, wäge meine Antwort ab und beschließe, mich in keine Diskussion bzw. eine für und gegen Argumentation einzulassen. Das ist ein Faß ohne Boden. Ich sage ihr, dass es aus meiner Sicht darum geht, das Leiden auf beiden Seiten zu sehen. Und es Bedarf sehr genaue Kenntnisse, um die Situation auch nur ansatzweise zu verstehen. Das Thema ist hochkomplex und vielschichtig. Sie bleibt bei dem Leid der Menschen im Gaza und ich verstehe ihr Mitgefühl. Das bringe ich ihr gegenüber auch zum Ausdruck.

Dann Umsteigen- warten auf den nächsten Zug Richtung Le Mans. Und ein weiteres letztes Mal umsteigen in den Zug Paris Montmartre

Aussteigen in Chartres. Dieser Ort gilt als spirituelles Zentrum Europas und ist ein Marienwallfahrtsort. Aus der Ferne entdecke ich sie, die Kirchtürme der Kathedrale von Chartres.

Sie scheinen wie aus der Zeit gefallen.

900 Meter bis zur Unterkunft der Sister von St. Paul. Ich nähere mich der Altstadt von Chartres. Holprig ist der Weg über das Kopfsteinpflaster. Noch vorbei an einem Justizgebäude, dann stehe ich vor dem Kloster. Die Schwester am Empfang schaut mich fragend an. Ich erkläre ihr mein Anliegen, ein gebuchtes Zimmer für 4 Nächte. Sie schüttelt am Kopf, telefoniert, erreicht niemanden.

In der Zwischenzeit fährt ein Vater mit seinem Lastenrad in den Hof. Vorne sitzt ein junges Mädchen, 4 Jahre alt , braune Locken unterstreichen die Farbe ihre grossen braunen Augen. Ihr Mund ist über und über verschmiert mit Erdbeereis, das sie noch in der Hand hält. Der ungefähr 8 Jahre alte Junge sitzt hinter seinem Vater und erfreut sich ebenso seines Erdbeereises.

Der Mann kommt zur richtigen Zeit. Er spricht englisch und verschafft sich einen Überblick. Fragt nach dem Abschluss meiner Buchung . Tatsächlich geschah diese per Telefon. Eine Mitarbeiterin in meiner Unterkunft in Lisieux dort übernahm dies für mich. Lediglich mit einem Zettel, auf der die Adresse des Klosters vermerkt ist, fuhr ich los von Lisieux. Eine junge Angestellte kommt hinzu. Sie telefoniert und schüttelt immer wieder den Kopf. Oh je, ist meine Buchung nicht angekommen? Der Franzose sagt, im Garten bei mir steht ein Tiny Haus. Dort gibt es auch noch eine Möglichkeit zu übernachten.

Die Schwester bringt einen Stuhl und fordert mich zum Sitzen auf. Es vergehen weitere 20 Minuten, in denen die Angestellte permanent telefoniert und hin und her läuft, um die Situation zu meiner Unterkunft zu klären.

Dann kommt eine andere Schwester. Ihr Name ist MarieChristin. Zielstrebig nimmt sie meinen Koffer und fordert mich mit Gesten auf, ihr zu folgen. Das Klosteranlage ist riesig. Wir laufen durch einen schönen Innenhof und vorbei an unzähligen Zimmern verteilt über 3 Stockwerke.

Eine Stunde später sitze ich zum Dinner, dankbar für ein Zimmer , klein aber fein, mit Blick auf die Türme der Kathedrale von Chartres.

Monday June 3rd, 2024
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