Die Tür ist geöffnet.
Nah am Eingang sitzt ein älterer Mann und hält ein Stück Holz in der Hand. Interessiert komme ich näher und frage, ob ich eintreten darf. Er nickt. Und schon stehe ich mittendrin in der Werkstatt des Krippenschnitzers.
Holzwerkstätten jeglicher Art ziehen mich magisch an. Diese Faszination liegt in meiner Kindheit begründet. Mein Vater übte den Beruf des Schreiners aus. Häufig hielt er sich in der Werkstatt seines Freundes auf, um dort Möbelstücke, wie Tische, Schränke, Kommoden, Betten, Sideboards für unsere Familie zu zimmern. Später, schon im Ruhestand, wandte er sich der Kunst des Holzdrechselns zu. Er fertigte wunderschöne Windspiele , Schalen aus hochwertigem Holz verschiedenster Größe, Kerzenhalter, Pilze uvm.
So gerne besuchte ich ihn als Kind in der Werkstatt, verbunden mit dem Auftrag, ihn zum Mittagessen zu holen. Ich mochte den Geruch von frischem Sägespän und ich erinnere mich an den großen Besen, mit dem ich den Boden von Sägespän und feinem Holzmehl befreite. Vor meinem inneren Auge sehe ich die großen Maschinen. Das silbernschimmernde Blatt der Kreissäge, die verschiedenen Hobelbänke, den großen Ofen.
Und jedesmal, wenn ich an einer Schreinerwerkstatt vorbei komme, tauchen sie wieder auf, die Erinnerungen meiner Kindheit und die dankbare Erinnerung an meinen Vater.
Beim genauen Hinsehen erkenne ich nun, was genau der Mann in seinen Händen hält. Von dem Holz entfernt er geschickt Material, so dass der Kopf Christi mit Dornenkrone sichtbar wird. Mein Blick fällt in das Regal, dort stehen mehrere Holzfiguren, sie stellen den Erzengel Michael, wie er mit dem Drachen kämpft, dar.
Am Ende des Raumes in weiteren Regalen finden unzählige Krippenfiguren ihren Platz. Ich staune über die unermüdliche Schaffenskraft dieses Mannes, die hier im Raum spürbar ist. Der Mann aus Bethlehem zeigt und erklärt mir den Einsatz verschiedener Holzwerkzeuge. Unter anderem nutzt er elektrisch betriebene Bohrer, wie sie auch von Zahnärzten eingesetzt werden. Diese Bohrer helfen die Gesichtszüge der einzelnen Figuren fein herauszuarbeiten.
Mein Blick fällt auf eine große Holzarbeit. In einem ausgehöhlten Baumstamm befindet sich ein Tisch. An dem Tisch sitzen Menschen, beim näheren Hinschauen erkenne ich die abgebildete Situation. Sie zeigt das letzte Abendmahl, wie es Michaelangelo auf seinem berühmten Gemälde Mitte des 15. Jahrhundert, darstellte. Ich zähle 12 Apostel und in der Mitte Jesus; nah an seiner Seite der Apostel Johannes.
Berührt lasse ich mich auf einen Stuhl fallen und bestaune das Werk. Einen Moment ist es wie ein Eintauchen in eine vergangene Zeit. Die Figuren sind fein und filigran gearbeit und stellen die einzelnen Charaktere der Apostel dar.
Der Tisch, an dem sie sitzen ist voller Staub. Mit einem Tuch entferne ich den Schmutz.
Der Krippenschnitzer aus Bethlehem holt weitere, angefertigte Werke des letzten Abendmahles herbei. Hier, so erfahre ich, ist das letzte Abendmahl zu sehen, wie es wahrscheinlich wirklich war. Die Apostel saßen nicht auf einem Stuhl, sondern auf dem Boden. Und die wichtigste Person sitzt am Kopf des Tisches, sodass er von allen gesehen wird und er auch jeden sehen und wahrnehmen kann.
Die Situation für die Krippenschnitzer im Land ist herausfordernd. Es gibt derzeit keine Touristen im Ort und niemand kauft ihre Ware. Ich erfahre, wie er und seine Kollegen leiden an den fehlenden Einnahmen. Anders als die Menschen in Israel bekommen sie keine Unterstützung vom Staat. Die Lage ist angespannt und wie geht es weiter für die Bewohner von Bethlehem, die auf die Besuche der Touristen angewiesen sind?
Ein Ende der Auseinandersetzungen ist nicht in Sicht. Dennoch strahlt der Mann eine tiefe Zuversicht aus. Ich möchte wissen, wie sich seine Arbeit mit den Figuren aus der Bibel, die ja ganz praktisch und handfest ist, auswirkt auf sein Leben? Er lächelt, bekennt sich als Christ zu seinem Glauben an die göttliche Kraft, die ihm Halt und Anker bietet, Antworten auf seine Fragen findet er in den Texten des Alten und Neuen Testamentes.
Beeindruckt und auch nachdenklich verabschiede ich mich von dem Krippenschnitzer aus Bethlehem. Beeindruckt, wie stark er Kraft seines Glaubens in unsicheren Zeiten im Leben steht.
Nachdenklich aus folgendem Grund heraus:
Jenseits aller Religionen sind wir Menschen hier auf Erden miteinander verbunden, wie in einer großen Familie- der Erdenfamilie. Das letzte Abendmahl zeigt die Gemeinschaft Jesus mit seinen Aposteln. Ist es auch ein Bild für uns als Erdenfamilie, - sitzen wir letztendlich doch auch alle an einem Tisch, bewohnen den gleichen Planeten und tragen alle miteinander Verantwortung, wie wir unser Miteinander in einer großen Gemeinschaft gestalten wollen?
Wir sind hier, um uns als Mensch auf der Erde zu erleben und zu erfahren. Uns zu entwickeln. Entwicklung geht nur mit einem Gegenüber, dem DU. Es ist seit Jahrzehnten,-hunderten,- und Jahrtausenden der gleiche Prozess. Nur stehen wir mittlerweile an einem anderen Punkt. Das Bewusstsein wächst und damit auch die Sensibilität für das Miteinander und für diesen Planeten Erde.
Auch wenn wir uns momentan noch " bekriegen". Menschen erwachen derzeit und gehen für ihre Rechte und Werte auf die Straße, setzen sich ein - für eine lebenswerte Zukunft. Wir stehen am Anfang eines Wandels und gestalten mit. Jeder und Jede nach eigenem Vermögen.
Wie sagt Albert Einstein: Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, wie sie entstanden sind. Und viele Menschen sind dabei, neue Ideen zu entwickeln. In vielen Lebensbereichen wird Zukunft schon in diesem Sinne gestaltet.
https://youtu.be/IEq-M81pAR4?si=U_TiGas13Al671gI
Shalom und Salam! Nous vois confions à Sainte Maria Madeleine
Ute Maria
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