Es zieht mich in den Süden der Insel. Schon zeitig breche ich auf, um den Bus in Katapola zu erreichen.
Das erste Auto, das anhält an diesem Morgen ist ein Wagen der Marke VW, Modell Lupo. Der Fahrer, ein Grieche, bittet mich, die Beifahrertür vorsichtig zu schließen. Ich verstehe ihn nicht sofort und laut fällt die Tür ins Schloss,
Etwas vorwurfsvoll schaut er mich an. Ja, ich verstehe. Die Tür ist ja kein Scheunentor- so sagte mein Vater immer, wenn im Haus die Türen schlugen. Ich überlege, wie die Übersetzung von Scheunentor lautet, es fällt mir nicht ein.
Ich frage ihn, ob er dem gestrigen Fest beiwohnte. Ja, erst spät ist er hinzugekommen, es war schon Mitternacht. Geblieben ist er jedoch nur kurz, es war nicht seine Musik, die gespielt wurde. Ich benutze in einem der Sätze das Wort spirituell und er fragt mich, welche Bedeutung ich diesem Wort gebe. Ich erkläre ihm meine Sichtweise und er will dann auch wissen, was für Erkenntnisse mir der Besuch von Chartres brachten. Dies alles am frühen Morgen. Mittlerweile steht das Auto. Dann fällt ihm ein, dass er einen Termin in einem Hotel hat, und eilends fährt er weiter. Die Beifahrertür schließe ich diesmal leise und achtsam.
Dann heißt es eine Weile laufen, der Küstenstraße entlang. Die Ausblicke sind einzigartig und ich vergesse die Anstrengungen beim Anstieg.
Einige Autos halten an, fahren jedoch in eine andere Richtung. Dann stoppt erneut ein Wagen.
Ein junger Mann sitzt auf dem Fahrersitz. Ja,nach Chora fährt er auch. Zuvor jedoch nach Agios Pavlos. Du kannst warten, dann nehme ich dich 10 Minuten später wieder mit.
Die Karosserie des Autos ist verbeult. Das schwarze Amarturenbrett ist jetzt grau vom darüberliegendem Staub. Der Beifahrerspiegel ist zerbrochen. Da wo einst Platz für ein Radio war, ist jetzt Leere. Der Motor läuft, die Kupplung funktioniert, ebenso die Bremse und das Gas geben. An den steilen Bergen tuckert der Wagen mit 30 Km/h hinauf. Viele Autos überholen. Im Laderaum stehen unzählige Gasbehälter. Dann dringen plötzlich polternde Geräusche in den Fahrerraum. Die Petrolbehälter sind umgefallen, einer nach dem anderen . Auf meinen Schreck hin beruhigt mich der Fahrer, sie sind sicher verblombt.
Der junge Mann erzählt, dass er im Sommer für einen Supermarkt hier auf Amorgos arbeitet. Den Winter verbringt er, wie viele andere Inselbewohner, in Athen. Die Insel scheint dann verlassen. Nur wenige Geschäfte des öffentlichen Lebens sind im Winter noch geöffnet. Wie verabredet, steige ich später erneut zu, gelange nach Chora und beschließe auf direktem Wege und nicht per Bus in den Süden zu fahren. Süden heißt 14 Kilometer weiter nach Arkesini.
Ein griechisches Ehepaar aus Athen schafft Platz auf dem Rücksitz. Ich erkläre ihnen mein Ansinnen. Erst gestern sind sie angekommen aus Athen um ein paar Tage auf Amorgos zu verbringen. Sie fahren einen SuV, moderne Ausstattung. Die Frau- sie heißt Maria, schaut auf der Karte ihres Smartphones. Eigentlich wollen sie zum Strand, beschließen dann, mich in den Ort zu fahren, der nur unwesentlich von ihrem Ziel entfernt ist. Von weitem ist der kleine Ort zu sehen. Eine Kirche und verstreut liegende Häuser am Hang und im Tal. Eine kleine Taverne am Ortseingang lädt ein.
Manuel und Maria trinken greek Coffee, ich bekomme einen Kräutertee. Es ist Mittagszeit und ich frage die beiden jungen und sehr freundlichen Frauen, was es zu Essen gibt. Unter anderem bieten sie eine Spezialität der Insel Amorgos an- Fava. Aus der Fava Bohne wird eine Art Hummus zubereitet. Serviert mit viel Olivenöl, Zwiebeln, Kapern, Oliven und frisch gebackenem Brot. Die Ernte der Bohne im letzten Jahr war sehr gering aufgrund fehlender Niederschläge. Das treibt den Kilopreis in diesem Jahr in die Höhe.
Gut gestärkt geht es weiter. Schon weit bin ich den Berg in der Mittagshitze erklommen,
und dann fährt doch noch ein Auto vorbei Und nimmt mich mit. Es ist das Ehepaar, welches auch im Restaurant zu Mittag ass. Ich erfahre, das der Mann der Onkel der Besitzerin ist und er selbst ein Restaurant auf der Insel betreibt. Die Taverne in Arkensini ist weit über 60 Jahre alt. In früheren Zeiten galt sie als ein Treffpunkt der Dorfbewohner. Nur dort gab es ein Telefon. Wenn ein Anruf einging, wurde der Betroffene informiert, um 14 Uhr in die Taverne zu kommen, um den erneuten Anruf entgegenzunehmen. Auch wurde in der Taverne das Brot, das in Katapola gebacken wurde, abgegben und von dort an die Dorfbewohnern verteilt. So war dieser Ort ein wichtiges soziales Zentrum, in dem sich das dörfliche Leben abspielte. Heute betreiben es zwei junge Frauen. Die Atmosphäre ist einladend und persönlich.
Auf dem Rückweg von Chora nach Aegialis stoppt ein französisches Ehepaar. Das Auto ist ein hier auf der Insel gemieteter Kleinwagen. Der Mann spricht ein bisschen Englisch. Ich erfahre, dass sie bereits Naxos und Santorini bereist haben. In Aegialis verabschiede ich mich und genieße ein weiteres Mal das kühlende Wasser des ägäischen Meeres.
Aegialis Lagada ist die letzte Wegetappe, 3 Kilometer trennt den kleine Hafenort von dem Bergdorf. Steil und kurvenreich ist der Verlauf der Straße. Und ich habe Glück, Jan hält an. Ein junger Mann, wir kennen uns bereits. Vor einigen Jahren kaufte er ein Haus in Lagada. Seine Heimat war bis dahin Mailand. Anfangs arbeitete er selbstständig im Bootsverleih. Den gab er auf und hilft jetzt dort, wo Hände gesucht und gebraucht werden.
ich freue mich, diese Insel wird durch den Kontakt zu den Einheimischen täglich vertrauter.
Und es ist ein ruhig pulsierender Lebensstrom, der dieses Fleckchen Erde durchströmt.
Gelassen und heiter, ruhig und besonnen.